Veröffentlicht am Mai 11, 2024

Modern zu sein ist keine Checkliste, sondern ein tiefgreifender Prozess der inneren Neukalibrierung.

  • Die alte „Software“ emotionaler Unterdrückung wird durch ein neues, intelligentes emotionales Betriebssystem ersetzt.
  • Aktive, präsente Vaterschaft wird zu einem zentralen Pfeiler der eigenen Identität, nicht nur zu einer Nebenaufgabe.
  • Erfolg wird nicht mehr an externen Statussymbolen, sondern am internen Werte-Kompass gemessen.

Empfehlung: Beginnen Sie mit dem radikal ehrlichen Schritt, Verletzlichkeit nicht als Schwäche, sondern als Ihre größte Stärke anzuerkennen.

Die Debatte um den „modernen Mann“ hinterlässt viele Männer in Deutschland ratlos. Einerseits sollen sie stark und entscheidungsfreudig sein, andererseits empathisch und emotional zugänglich. Sie navigieren zwischen den verblassenden Erwartungen ihrer Vätergeneration und den neuen Anforderungen von Partnerinnen, Arbeitswelt und Gesellschaft. Dieses Gefühl, zwischen den Welten zu stehen, ist kein persönliches Versagen, sondern ein Symptom eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels.

Oft werden oberflächliche Lösungen angeboten: Männer sollen einfach mehr im Haushalt helfen, öfter „Ich liebe dich“ sagen und feministische Prinzipien verinnerlichen. Diese Ratschläge sind zwar gut gemeint, kratzen aber nur an der Oberfläche. Sie behandeln die Symptome, nicht die Ursache. Sie sind wie ein Software-Patch für ein veraltetes Betriebssystem, das von Grund auf fehlerhaft ist. Das Ergebnis ist oft nur mehr Verwirrung und der Druck, einer weiteren, unerreichbaren Idealvorstellung gerecht zu werden.

Doch was, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, eine Checkliste neuer Eigenschaften abzuarbeiten? Was, wenn es um einen viel fundamentaleren Prozess geht: eine bewusste innere Neukalibrierung? Dieser Artikel vertritt die These, dass moderne Männlichkeit kein Zustand ist, den man erreicht, sondern ein aktiver Prozess. Es geht darum, die alte, schädliche „Software“ – die uns sagt, Gefühle seien Schwäche und Status sei alles – bewusst zu deinstallieren und durch ein neues, flexibles Betriebssystem zu ersetzen. Ein System, das auf emotionaler Intelligenz, aktiver Verantwortung und einem authentischen, von innen definierten Selbstwertgefühl basiert.

Wir werden gemeinsam diesen Prozess der Neukalibrierung durchleuchten. Von der Dekonstruktion schädlicher Glaubenssätze über die Neugestaltung der Vaterrolle bis hin zur Kunst, authentische Beziehungen zu führen und Erfolg nach eigenen Maßstäben zu definieren. Es ist eine Einladung, die eigene Männlichkeit nicht als starre Rüstung, sondern als dynamisches Werkzeug zur Selbstverwirklichung zu begreifen.

Dieser Leitfaden ist in verschiedene Kernbereiche unterteilt, die zusammen ein umfassendes Bild des modernen Mannes in Deutschland zeichnen. Jedes Kapitel beleuchtet eine Facette der inneren Neukalibrierung, die für ein erfülltes und authentisches Leben entscheidend ist.

Die Stärke der Verletzlichkeit: Warum „ein Indianer kennt keinen Schmerz“ der schädlichste Satz für Männer ist

Sätze wie „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Sei doch kein Mädchen“ sind mehr als nur unbedachte Floskeln. Sie sind der Kerncode eines veralteten Betriebssystems, das Generationen von Jungen installiert wurde. Dieses System lehrt eine fatale Lektion: Emotionale Regungen, insbesondere Trauer, Angst oder Unsicherheit, sind Bugs, die es zu unterdrücken gilt. Das Ergebnis ist eine emotionale Verarmung, die weitreichende und oft unsichtbare Folgen hat. Männer lernen, ihre Gefühle nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst zu verbergen. Der Preis dafür ist hoch.

Die Konsequenzen dieser emotionalen Unterdrückung sind in der deutschen Gesellschaft messbar. So sind laut einer Erhebung offiziell 5,1% der Männer in Deutschland von Depressionen betroffen, wobei Experten von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Wenn der einzige erlaubte Ausdruck von innerem Schmerz Wut oder Schweigen ist, bleiben die eigentlichen Ursachen unbehandelt. Das „starke“ Schweigen wird zur tickenden Zeitbombe für die mentale Gesundheit. Es verhindert nicht nur die Verarbeitung von Rückschlägen, sondern sabotiert auch die Fähigkeit, tiefe und authentische Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen.

Interessanterweise zeigt eine Studie der Humboldt-Universität zu Berlin, warum diese emotionale Zurückhaltung so tief verankert ist. Die Untersuchung ergab, dass Männer als emotional kompetenter eingeschätzt werden, wenn sie auf Reize verzögert reagieren. Bei Frauen ist es genau umgekehrt. Dies deutet auf einen erlernten sozialen Mechanismus hin: Männer werden unbewusst dafür belohnt, ihre spontanen Gefühle zu kontrollieren. Die wahre Stärke des modernen Mannes liegt jedoch nicht darin, gefühllos zu sein, sondern darin, dieses schädliche Skript bewusst zu durchbrechen. Es bedeutet, Verletzlichkeit nicht als Schwäche, sondern als Voraussetzung für Mut, Resilienz und echte menschliche Verbindung zu begreifen. Dies ist der erste, entscheidende Schritt der inneren Neukalibrierung.

Karriere UND Kinderwagen: Wie moderne Väter in Deutschland die Elterngeld- und Teilzeit-Falle umgehen

Die Neudefinition von Männlichkeit manifestiert sich nirgendwo so deutlich wie in der Vaterrolle. Der Wunsch, ein präsenter, engagierter Vater zu sein, ist für viele Männer heute eine Selbstverständlichkeit. Doch der Weg von der Absicht zur Realität ist in Deutschland mit strukturellen und kulturellen Hürden gepflastert. Die sogenannte „Teilzeit-Falle“ und starre Vorstellungen in vielen Unternehmen machen es Männern schwer, ihre Karriereambitionen mit dem Wunsch nach aktiver Vaterschaft zu vereinbaren.

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sprechen eine deutliche Sprache. Obwohl der Wunsch nach partnerschaftlicher Aufteilung wächst, lag der Väteranteil beim Elterngeldbezug 2024 bei nur 25,8% und war damit sogar leicht rückläufig. Dies zeigt die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Männer, die sich für eine längere Elternzeit oder Teilzeit entscheiden, fürchten oft berufliche Nachteile oder stoßen auf Unverständnis bei Vorgesetzten und Kollegen. Die Falle besteht darin, dass die traditionelle Ernährerrolle zwar an Bedeutung verliert, die beruflichen Strukturen sich aber nur langsam anpassen.

Der folgende Vergleich auf Basis der Daten von Destatis verdeutlicht die noch immer existierende Schieflage:

Elterngeldbezug im Geschlechtervergleich 2024
Kategorie Frauen Männer
Durchschnittliche Bezugsdauer 14,8 Monate 3,8 Monate
Elterngeld Plus Nutzung 42,3% 20,6%
Höchstbetrag-Bezieher 12% 32%

Wie lässt sich diese Falle umgehen? Der moderne Mann agiert hier als bewusster Verhandlungsführer seiner eigenen Lebensumstände. Es beginnt mit einer klaren Kommunikation mit der Partnerin lange vor der Geburt, um ein gemeinsames Modell zu entwickeln. Im Beruf erfordert es Mut, die eigenen Wünsche proaktiv und selbstbewusst zu formulieren – nicht als Bitte, sondern als konstruktiven Vorschlag. Modelle wie „Väter-Teilzeit“ oder die Nutzung von ElterngeldPlus müssen aktiv eingefordert und als Vorteil für das Unternehmen (Mitarbeiterbindung, modernes Image) positioniert werden. Es geht darum, die Rolle des Vaters nicht als Karrierebremse, sondern als integralen Bestandteil der eigenen Identität und als Kompetenzgewinn zu begreifen.

Warum Männer ab 30 ihre Freunde verlieren und was Sie aktiv dagegen tun können

Ein stilles Phänomen, das viele Männer ab 30 erleben: Der Freundeskreis schrumpft. Während Frauen oft geübt darin sind, ihre sozialen Netzwerke auch bei veränderten Lebensumständen aktiv zu pflegen, driften Männerfreundschaften häufig auseinander. Beruf, Familie und der Umzug in eine andere Stadt werden zu Barrieren, die unüberwindbar scheinen. Dahinter steckt oft das alte Männlichkeits-Skript des „einsamen Wolfs“, der keine Hilfe braucht und seine Probleme allein löst. Freundschaft wird als „nice-to-have“ betrachtet, nicht als essentielle Säule der mentalen Gesundheit.

Diese soziale Isolation ist eine direkte Folge des unterdrückten „emotionalen Betriebssystems“. Männerfreundschaften basieren oft auf gemeinsamen Aktivitäten – Sport, Hobbys, Weggehen. Wenn diese wegfallen, fehlt oft die Grundlage für tiefere Gespräche. Die Angst, sich verletzlich zu zeigen oder über Sorgen zu sprechen, verhindert, dass die Beziehung auf eine neue, reifere Ebene gehoben wird. Die Freundschaft verkümmert, weil ihr die emotionale Nahrung fehlt. Diesen schleichenden Verlust zu akzeptieren, bedeutet, ein zentrales menschliches Bedürfnis zu ignorieren: das nach Zugehörigkeit und echtem Austausch.

Moderne Männerfreundschaft: Gruppe von Männern verschiedenen Alters beim gemeinsamen Gespräch

Doch diesem Trend kann man aktiv entgegenwirken. Es erfordert eine bewusste Entscheidung und die Bereitschaft, die Initiative zu ergreifen. Es geht darum, Freundschaft als das zu behandeln, was sie ist: eine Beziehung, die gepflegt werden muss. Statt auf den perfekten Moment zu warten, geht es darum, Verbindlichkeit zu schaffen. Feste, regelmäßige Termine – und sei es nur ein monatlicher Anruf – sind wirksamer als vage Absichtserklärungen. Dabei muss nicht immer das „große Gefühlsthema“ auf den Tisch. Oft entstehen die besten Gespräche bei einer gemeinsamen, ungezwungenen Aktivität, wie einem Spaziergang. Ein einfaches „Ich mache mir Gedanken über…“ kann bereits eine Tür öffnen. Es ist die Geste, die zählt und die zeigt: Du bist mir wichtig.

Der innere Kompass: Wie Sie herausfinden, was Sie wirklich vom Leben wollen – jenseits von Status-Symbolen

Ein teures Auto, eine prestigeträchtige Position, eine große Wohnung – lange Zeit definierte sich männlicher Erfolg über solche externen Status-Symbole. Sie boten eine klare, messbare Orientierung. Doch in einer Welt, in der diese Symbole an Bedeutung verlieren und Lebenswege vielfältiger werden, hinterlassen sie bei vielen Männern eine Leere. Die Jagd nach dem Nächsten auf der Liste fühlt sich hohl an, wenn sie nicht mit einem tieferen Sinn verbunden ist. An dieser Stelle ist eine fundamentale Neukalibrierung erforderlich: die Aktivierung des inneren Werte-Kompasses.

Dieser Kompass funktioniert anders als die externe Erfolgsmessung. Er orientiert sich nicht an dem, was die Gesellschaft als erstrebenswert erachtet, sondern an dem, was für Sie persönlich von Bedeutung ist. Es geht um die Fragen: Was für ein Mensch möchte ich sein? Welche Werte will ich in meiner Partnerschaft, meiner Vaterschaft und meinem Beruf leben? Die Antworten darauf sind nicht im Außen zu finden, sondern in der ehrlichen Auseinandersetzung mit sich selbst. Dieser Prozess ist anspruchsvoller als das Abarbeiten einer externen Checkliste, aber unendlich viel erfüllender.

Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion.

– Viktor Frankl

Diese Worte von Viktor Frankl bringen es auf den Punkt. Der moderne Mann nutzt diesen Raum, um nicht automatisch den alten Pfaden des Statusstrebens zu folgen, sondern bewusst zu entscheiden, was ihm wirklich wichtig ist. Interessanterweise bestätigen das auch aktuelle Studien: Eine Parship-Studie aus dem Jahr 2024 zeigt, dass für 82% der Deutschen eine zukunftsfähige Beziehung, in der man gemeinsam alt wird, das höchste Ziel ist. Werte wie Verbundenheit und Freiheit (73%) übertrumpfen materielle Aspekte. Der innere Kompass führt weg von der Frage „Was kann ich bekommen?“ hin zur Frage „Was kann ich beitragen und wie will ich leben?“.

Hinfallen, aufstehen, Krone richten: Warum Scheitern die wichtigste Lektion für den modernen Mann ist

Das traditionelle Männlichkeitsbild kennt keinen Fehler. Der Held gewinnt immer, der Macher hat immer Erfolg. Scheitern ist in diesem Skript nicht vorgesehen und wird daher als ultimative Niederlage und persönliches Versagen interpretiert. Diese toxische Perfektionserwartung erzeugt einen enormen Druck und verhindert eine der wichtigsten menschlichen Erfahrungen: das Lernen durch Fehler. Wenn Scheitern keine Option ist, wird das Eingehen von Risiken vermieden und das persönliche Wachstum stagniert.

Die Unfähigkeit, mit Niederlagen umzugehen, ist eine der gefährlichsten Altlasten des alten Männlichkeits-Codes. Sie führt dazu, dass Männer Probleme verheimlichen, keine Hilfe suchen und im schlimmsten Fall zerbrechen. Wie das ACTitude Magazin berichtet, gehört Suizid zu den häufigsten Todesursachen bei jüngeren Männern bis 45 Jahre. Diese erschütternde Statistik ist auch eine Folge des gesellschaftlichen Drucks, immer „funktionieren“ zu müssen und keine Schwäche zeigen zu dürfen. Ein Rückschlag im Beruf, eine Trennung oder ein finanzieller Engpass werden zu existentiellen Bedrohungen, anstatt als Teil des Lebensweges verstanden zu werden.

Die Neukalibrierung der Männlichkeit erfordert hier eine radikale Umdeutung: Scheitern ist kein Urteil über den eigenen Wert, sondern schlicht eine Datenerhebung. Es ist eine Information darüber, was nicht funktioniert hat. Der moderne Mann kultiviert einen Resilienz-Muskel. Er versteht, dass Stärke nicht bedeutet, niemals zu fallen, sondern immer wieder aufzustehen. Dieser Perspektivwechsel hat enorme Kraft. Er befreit von der lähmenden Angst vor dem Versagen und öffnet den Raum für Experimente, für mutige Entscheidungen und letztlich für tiefgreifende Lernprozesse. Die „Krone“, die man sich richtet, ist nicht die des unbesiegbaren Königs, sondern die der Selbstachtung, die man sich auch – und gerade dann – bewahrt, wenn die Dinge nicht nach Plan laufen.

Mehr als nur Kleidung: Was bedeutet es wirklich, heute ein „moderner Gentleman“ zu sein?

Der Begriff „Gentleman“ scheint aus der Zeit gefallen. Man denkt an Anzüge, gute Manieren und das Aufhalten von Türen. Doch diese rein äußerliche Definition greift zu kurz und wird dem Kern des Konzepts nicht gerecht. Ein moderner Gentleman im 21. Jahrhundert definiert sich nicht primär über seinen Kleiderschrank oder ein starres Regelwerk, sondern über seine Haltung: eine Haltung von Respekt, Achtsamkeit und Verantwortung – sich selbst, anderen und der Welt gegenüber.

Ein zentraler Aspekt ist das tiefe, gelebte Verständnis für Gleichberechtigung. Es geht nicht darum, Frauen auf ein Podest zu heben, sondern ihnen auf Augenhöhe zu begegnen – in der Partnerschaft, im Beruf und im gesellschaftlichen Diskurs. Eine aktuelle Erhebung zeigt, dass in Deutschland nur 53% der Menschen die Gleichberechtigung als verwirklicht ansehen. Ein moderner Gentleman erkennt diese Lücke und versteht sich als aktiver Teil der Lösung, nicht des Problems. Er hört zu, reflektiert die eigenen Privilegien und tritt aktiv gegen Sexismus und Ungerechtigkeit ein, auch wenn es unbequem ist.

Moderner Gentleman: Mann in nachhaltiger deutscher Mode zeigt bewussten Stil

Diese Haltung der Achtsamkeit erstreckt sich auch auf den Konsum. Statt blind Trends zu folgen, trifft ein moderner Gentleman bewusste Entscheidungen. Er investiert lieber in Qualität als in Quantität, interessiert sich für die Herkunft seiner Kleidung und unterstützt nachhaltige und faire Produktionsweisen. Der Stil wird so zum Ausdruck der eigenen Werte, nicht zum Statussymbol. Es geht um einen „bewussten Stil“, der zeigt, dass man sich Gedanken macht. Ein moderner Gentleman zu sein bedeutet also nicht, eine Rolle zu spielen, sondern authentisch zu sein und die eigenen Handlungen in Einklang mit den eigenen Werten zu bringen. Es ist die moderne Interpretation von Integrität.

Die Kunst des eleganten „Nein“: Wie ein Gentleman Grenzen setzt, ohne Brücken zu verbrennen

Eine der am meisten unterschätzten Fähigkeiten des modernen Mannes ist die Kunst, elegant und bestimmt „Nein“ zu sagen. In einer Kultur, die oft Verfügbarkeit und Gefälligkeit belohnt, wird das Setzen von Grenzen schnell als Egoismus oder mangelnde Teamfähigkeit missverstanden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Klare Grenzen sind die Grundlage für gesunde Beziehungen – sowohl im Privaten als auch im Beruf. Wer seine eigenen Grenzen nicht kennt und kommuniziert, riskiert Ausgebranntheit, Groll und oberflächliche Interaktionen.

Das Setzen von Grenzen ist kein Akt der Aggression, sondern ein Akt der Selbstachtung. Es ist die praktische Anwendung des inneren Werte-Kompasses. Wenn Sie wissen, was Ihnen wichtig ist und worauf Sie Ihren Fokus richten wollen, wird es einfacher, Anfragen abzulehnen, die Sie von Ihrem Weg abbringen. Ein „Nein“ zu einer fremden Priorität ist oft ein „Ja“ zu Ihrer eigenen. Für viele Männer ist dies jedoch eine Herausforderung, da das alte Männlichkeitsbild den „Kümmerer“ und „Problemlöser“ idealisiert, der immer zur Stelle ist.

Die Lösung liegt in der Entwicklung einer bewussten Grenzen-Architektur. Es geht nicht darum, Mauern zu errichten, sondern darum, Türen mit klaren Öffnungszeiten zu definieren. Anstatt impulsiv zu reagieren, kann eine ruhige, aber klare Kommunikation Wunder wirken. Ein „Nein“ muss nicht kalt sein. Es kann mit Empathie und einer kurzen, ehrlichen Begründung verbunden werden („Ich verstehe, dass das wichtig ist, aber ich kann diese Aufgabe derzeit nicht mit der nötigen Sorgfalt übernehmen“). Die Kombination aus selbstbewusstem Auftreten, klarer verbaler Ansage und respektvoller Haltung ist der Schlüssel.

Ihr Aktionsplan: Grenzen respektvoll setzen

  1. Signale analysieren: Prüfen Sie, wo Ihre Grenzen regelmäßig überschritten werden. Identifizieren Sie wiederkehrende Muster bei bestimmten Personen oder Aufgaben.
  2. Kommunikation vorbereiten: Formulieren Sie Ihr „Nein“ klar, aber empathisch. Statt „Ich habe keine Zeit“ versuchen Sie „Ich würde gerne, aber mein Fokus liegt gerade auf X, um es gut abzuschließen“.
  3. Körpersprache abgleichen: Stehen Sie zu Ihrer Aussage mit aufrechter Haltung und direktem Blickkontakt. Ihre nonverbale Botschaft muss die verbale stützen und Selbstsicherheit ausstrahlen.
  4. Konsequenzen definieren: Überlegen Sie für sich, was passiert, wenn Ihre Grenze ignoriert wird, und seien Sie bereit, dies in einem nächsten Schritt ruhig und sachlich zu kommunizieren.
  5. Erfolge anerkennen: Jedes erfolgreich gesetzte „Nein“ ist ein Training für Ihren Resilienz-Muskel. Erkennen Sie diesen Schritt zur Selbstachtung als wichtigen Erfolg an.

Das Wichtigste in Kürze

  • Moderne Männlichkeit ist kein Zustand, sondern ein bewusster Prozess der inneren Neukalibrierung und des Wachstums.
  • Verletzlichkeit ist keine Schwäche, sondern die Basis für emotionale Intelligenz, Resilienz und tiefe menschliche Verbindungen.
  • Ein wertebasierter „innerer Kompass“ ist erfüllender und nachhaltiger als die Jagd nach externen Statussymbolen.

Jenseits des Anzugs: Der komplette Verhaltenskodex für den Gentleman im 21. Jahrhundert

Fasst man die Prinzipien der inneren Neukalibrierung zusammen, entsteht ein neuer Verhaltenskodex für den modernen Mann. Er ist flexibler, authentischer und menschlicher als jeder traditionelle Knigge. Dieser Kodex basiert nicht auf starren Regeln, sondern auf leitenden Prinzipien, die in jeder Situation Orientierung bieten. Es ist der Verhaltenskodex eines Mannes, der seine emotionale Software aktualisiert hat und im Einklang mit seinem inneren Kompass lebt.

Ein zentraler Punkt dieses Kodex ist die Abkehr vom klassischen Versorger-Rollenbild. Eine ElitePartner-Studie zeigte bereits, dass sich nur noch etwa jeder zweite Mann primär in der Pflicht sieht, finanziell für die Familie zu sorgen. An die Stelle dieser alleinigen Verantwortung treten Werte wie Verständnis, Treue, Fürsorge und Emotionalität. Der moderne Mann definiert seinen Wert nicht mehr über die Höhe seines Gehalts, sondern über die Qualität seiner Beziehungen. Er ist ein Partner, kein Versorger; ein Vater, kein Erzieher; ein Freund, kein Konkurrent.

Männerberater Björn Süfke betont die Notwendigkeit, Männerberatung als selbstverständliches Angebot zu etablieren. Beratungsstellen helfen, den Druck zu reduzieren, der durch traditionelle Männlichkeitsbilder entsteht. Die emotionale Kompetenz zu fördern bedeutet, Männer zu ermutigen, ihre Gefühle zuzulassen und konstruktiv auszudrücken.

– Bundesforum Männer

Der neue Verhaltenskodex umfasst zudem die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Der moderne Gentleman weiß, dass er nicht perfekt ist. Er ist bereit, Fehler zuzugeben, sich zu entschuldigen und Hilfe anzunehmen – sei es von Freunden, der Partnerin oder professionellen Beratungsstellen. Er versteht, dass wahre Souveränität nicht in der Unfehlbarkeit liegt, sondern in der Fähigkeit, zu lernen und zu wachsen. Er ist ein ewiger Schüler des Lebens, nicht ein Meister, der bereits alles weiß. Dieser Kodex ist letztlich ein Bekenntnis zur Menschlichkeit in all ihren Facetten – mit Stärken und Schwächen, Erfolgen und Niederlagen.

Der Weg zu einer modernen, gesunden Männlichkeit ist eine persönliche Reise der Reflexion und des Mutes. Es ist an der Zeit, die veralteten Karten beiseitezulegen und Ihren eigenen Weg zu definieren, der auf Authentizität, Stärke und emotionaler Tiefe basiert.

Häufig gestellte Fragen zum Thema moderne Männlichkeit

Was sind die Folgen unterdrückter Emotionen?

Unterdrückte Emotionen führen zu einer eingeschränkten emotionalen Palette und verhindern eine tiefe Verarbeitung subtilerer Gefühle. Dies kann langfristig zu psychischen und physischen Gesundheitsproblemen wie Depressionen, Angststörungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen und sabotiert die Fähigkeit, authentische Beziehungen aufzubauen.

Kann man als Erwachsener noch lernen, mit Gefühlen umzugehen?

Ja, absolut. Wer als Kind gelernt hat, Gefühle zu verdrängen, kann als Erwachsener auch lernen, diese wieder besser wahrzunehmen und konstruktiv auszudrücken. Der Schlüssel liegt darin, die gesellschaftliche Stigmatisierung von Emotionalität bei Männern bewusst zu überwinden und sich selbst zu erlauben, das gesamte Spektrum menschlicher Gefühle zu erleben.

Geschrieben von Maximilian Richter, Maximilian Richter ist ein seit über 15 Jahren etablierter Herrenmode-Redakteur und Stilberater aus Hamburg, der für sein tiefes Verständnis von Handwerkskunst und Materialqualität bekannt ist.